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Ebook: Umgestaltung und Erneuerung im vereinigten Deutschland

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02.03.2024
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VorwortDieser Sammelband vereint die überarbeiteten Beiträge einer Tagung der Fachgruppe Geschichtswissenschaft der Gesellschaft für Deutschlandforschung e. V., die vom 7. bis 9. November 1991 - zwei Jahre nach der spektakulären Öffnung der Mauer - im Berliner Deutschlandhaus stattgefunden hat. Nach Tagungen über den Prozeß der Wiederbewaffnung in Nachkriegsdeutschland 1984 in Vlotho und über die Geschichtsschreibung in der DDR 1987 in Berlin war es die dritte Zusammenkunft der Fachgruppe, die diesmal - neben bilanzierenden Referaten über die Geschichtswissenschaft in der DDR - hauptsächlich der Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland gewidmet war. Damit wurde die Vorgeschichte des zweiten deutschen Staates nach 1945, der Deutschen Demokratischen Republik, in den Mittelpunkt gerückt, für die in der Geschichtsschreibung der DDR die Formel von der »antifaschistisch-demokratischen Umwälzung« bereitgehalten wurde. Referate und Diskussionen wurden wesentlich von der Frage geprägt, welche Rolle die sowjetische Besatzungsmacht bei der Etablierung eines neuen Deutschland nach dem Ende des »Dritten Reiches« spielte. Dabei war z.B. zu untersuchen, inwieweit nicht schon zwischen 1945 und 1949 jene politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen geschaffen worden sind, wie sie nach dem 7. Oktober 1949 den »Arbeiter- und Bauernstaat« DDR bis zu seinem Untergang im Jahre 1990 geprägt haben. Es sollte zudem geprüft werden, warum nach der Beseitigung der NS-Diktatur auch von deutschen Politikern die Weichen für die zukünftige Entwicklung in Deutschland in Richtung auf eine Auffassung von Demokratie gestellt wurden, von der ein »Aktivist der ersten Stunde« wie Johannes Dieckmann, der spätere langjährige Präsident der Volkskammer der DDR, schon im August 1945 zu sagen wußte, daß sie - »wenn sie sich gestalten kann und gestaltet hat« - vermutlich »der russischen Auffassung näher verwandt« sein werde »als der des Westens«.Den Reigen der Beiträge zur Geschichte der SBZ eröffnet Günther Heydemann (München) mit einer quellengesättigten Untersuchung über die Beobachtung und die Beurteilung der Entwicklung im sowjetischen Besatzungsgebiet durch die britische Besatzungsmacht. Heinrich Bodensieck (Dortmund) setzt sich kritisch mit der bisherigen Interpretation eines möglichen Schlüsseldokumentes für die Deutschlandpolitik Stalins, den Aufzeichnungen Wilhelm Piecks vom 4. Juni 1945, auseinander, und Jochen Laufer (Berlin) kann aufgrund der Auswertung bisher unveröffentlichter Materialien aus russischen Archiven präzisere Aussagen als bisher über einen wichtigen Teilbereich der sowjetischen Deutschlandpolitik, die Reparationspolitik, machen. Lothar Dralle (Gießen) beschäftigt sich mit dem Versuch, mit Hilfe einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Gesellschaft deutsch-sowjetischer Freundschaft sozusagen von Amts wegen zu organisieren. Über Vorgeschichte, Weichenstellungen und Bestimmungsfaktoren der wirtschaftlichen Entwicklung im sowjetischen Besatzungsgebiet informiert Werner Matschke (Nörten-Hardenberg). Einem in der DDR lange Zeit tabuisierten Thema, dem Schicksal der Flüchtlinge und Vertriebenen in der SBZ, widmet Regine Just (Dillingen, früher Dresden) einen Beitrag unter besonderer Berücksichtigung von Erfahrungen und Entscheidungen im Land Sachsen. Von Karl Wilhelm Fricke (Köln) wird der Nachweis erbracht, daß alle wesentlichen Erscheinungsformen politischer Verfolgung zu jenem tiefgreifenden Umwälzungsprozeß gehörten, der 1945 in den fünf Ländern des sowjetischen Besatzungsgebietes eingeleitet wurde. Schließlich behandelt Peter Hübner (Potsdam) mit der Lebens- und Arbeitssituation der Industriearbeiterschaft »von den ersten Tagen der sowjetischen Besatzungszone an« ein wichtiges sozialgeschichtliches Thema, während Petra Clemens (Potsdam) Beobachtungen im Rahmen eines Projektes über Frauen in der Textilindustrie der SBZ/ DDR schon Probleme aufnehmen, die für den schwierigen Prozeß der Wiedervereinigung Deutschlands charakteristisch sind.Die Beiträge zur Historiographie in der DDR stellen Versuche dar, von unterschiedlichen Positionen aus für diesen umstrittenen und belasteten Wissenschaftsbereich erste Bilanzen zu ziehen: Bei Karlheinz Blaschke (Dresden), einem renommierten Landesgeschichtler aus der Leipziger Schule von Hellmut Kretzschmar, gerät dies zu einer unerbittlichen Abrechnung, während Wolfgang Küttler (Berlin) vorsichtig »die kreativen Potenzen eines gemeinsamen Neubeginns« geschichtswissenschaftlicher Forschung im neuen, größeren Deutschland anmahnt. Aus der Sicht eines jüngeren Historikers, der seine Ausbildung in der DDR erfahren hat, werden schließlich von Rainer Eckert (Berlin) die Aufstiegschancen und Entwicklungsbarrieren für den geschichtswissenschaftlichen Nachwuchs in der DDR verdeutlicht.Für die veranstaltende Gesellschaft für Deutschlandforschung ist seit ihrer Gründung im Jahre 1978 die Bewahrung des gesamtdeutschen Bewußtseins ein zentrales Anliegen gewesen. Schon von daher war es selbstverständlich, daß zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer auch - in der Mehrzahl jüngere - Referenten und Teilnehmer aus der ehemaligen DDR vertreten waren. So wurde mitten in der Phase der Evaluierung und Abwicklung der DDR-Geschichtswissenschaft ein Zeichen dafür gesetzt, daß bei ernsthaften und vorurteilsfreien Bemühungen die notwendige gemeinsame Aufarbeitung der jüngeren deutschen Vergangenheit kein unüberwindliches Problem darstellt. Daß dabei übrigens keinerlei Gedanken daran verschwendet wurden, über Sieger oder Besiegte in der geschichtswissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen »bürgerlicher« und marxistisch-leninistischer Geschichtswissenschaft zu befinden, bedarf in Anbetracht des zunehmend deutlicher vernehmbaren larmoyanten Wehklagens eines manchen »unterlegenen« Altkaders der früheren DDR-Geschichtswissenschaft der besonderen Erwähnung.
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